Wahnsinn- jetzt bin ich bereits fünf Monate in Playas, Ecuador- das bedeutet, dass schon mehr als die Hälfte meines Aufenthalts vorüber ist. Höchste Zeit also, einen Bogen von meinem allerersten Blogeintrag zu eben diesem hier zu spannen.
Ich beginne wieder bei meiner Gastfamilie:
Ich fühle mich nach wie vor super wohl in meiner Familie. Mittlerweile kennen wir uns einfach auch viel besser und ich habe ein Gespür dafür entwickelt, was in Ordnung ist und was nicht. Das macht das Zusammenleben natürlich sehr viel entspannter: Abends bekomme ich nun immer einen Schlüssel mit, sodass meine Gastmutter nicht mehr auf mich warten muss und ich traue mich auch mal Essen abzulehnen (was zugegebenermaßen so gut wie nie vorkommt…)
Was mir am besten an meiner Gastfamilie gefällt ist, dass die Türen immer offen stehen: Egal, ob wir MoGs abends einfallen oder die Nachbarin vorbeikommt- es ist immer etwas los! Meine Gastoma kocht deshalb meistens mehr, man weiß nämlich nie, wer noch so vorbeikommt. Ich habe mich schon so an den Trubel gewöhnt, sodass ich mich echt alleine fühle, wenn meine Familie mal nicht zu Hause ist!
Noch immer habe ich den Eindruck, dass es meiner Familie finanziell ganz gut geht: Die Küche ist top ausgestattet, die Mahlzeiten sind abwechslungsreich und aus der Dusche kommt auch ab und zu Warmwasser. Aber auch in meiner Familie gibt es Zeiten, in denen es finanziell eng wird. Vor dem Einkaufen rechnet meine Gastmutter meistens genau durch, wieviel sie brauchen wird und als sie sich einen Staubsauger gekauft hat, hieß es in diesem Monat „Ya no tengo plata“ (Ich habe kein Geld mehr.).
Mir fehlt es aber generell an nichts hier und ich führe nach wie vor ein sehr komfortables Leben. Zwischenzeitlich war ich deshalb ein wenig enttäuscht: Ich hatte erwartet, mich noch mehr umstellen zu müssen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen seltsam- ich bin ja auch froh, dass ich kaum Eingewöhnungsschwierigkeiten hatte. Aber ich hatte vorher einfach andere Vorstellungen.
Vielleicht haben sich meine Ansichten eines „komfortablen“ Lebens auch einfach etwas geändert… Zumindest bin ich sehr froh, in einer so lieben und offenen Familie wohnen zu dürfen!
Dass ich ein eigenes Zimmer habe, schätze ich auch sehr! Die Tage hier können sehr anstrengend sein und da bin ich froh, wenn ich die Tür auch mal zumachen kann und ein bisschen Zeit für mich habe.
An den Lärm habe ich mich glücklicherweise längst geöhnt! Ich kann mich erinnern, dass ich anfangs aufgrund des Fernsehers schlecht einschlafen konnte und auch morgens sehr früh aufgewacht bin. Das ist jetzt aber gar kein Problem mehr: Einmal habe ich meinen Wecker so lange überhört, bis meine Gastmutter mich geweckt hat. Das ist mir in Deutschland noch nie passiert.
Meine Arbeit im Cacique:
Nochmal zur Erinnerung, weil ich das Wort so oft benutze: Das Cacique ist das Kulturzentrum Playas, wo wir im Rahmen der Ola Sinfonica Musikunterricht geben.
Mein Stundenplan ist mittlerweile richtig voll, besonders montags und dienstags bin ich nach dem Unterrichten oftmals echt platt. Da Antonia nun da ist, die zum Großteil Klavier unterrichtet, könnte ich eigentlich ausschließlich Gesangsunterricht geben. Ich habe aber trotzdem noch zwei bis drei Klavierschüler täglich, einfach, weil mir die Abwechslung gefällt.
Da viele meiner Schüler spanische Songs singen möchten, muss ich neben dem Unterrichten oft nach Noten oder zumindest Akkorden suchen und wenn beides nicht vorhanden ist, selbst Melodien und Harmonien raushören und aufschreiben. Das ist sehr zeitaufwendig, weshalb ich fast jeden Tag länger im Cacique bin.
Schon seit Längerem haben wir auch einen Chor, mit dem wir gerade „Somos es mundo“ („We are the world“) üben. Mittlerweile schaffen wir es sogar, dreistimmig zu singen, was mich sehr glücklich und stolz macht. Ich freue mich auf jeden Fall schon jetzt auf das Weihnachtskonzert, wo wir unter anderem dieses Stück aufführen werden.
Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass mir manchmal die Motivation zum Unterrichten fehlt. Das anfänglich Neue und Spannende ist ein wenig der Routine und dem Alltag gewichen. Die regelmäßigen, kleinen Erfolgserlebnisse geben mir dann aber wieder neuen Antrieb.
So auch das Konzert vom vergangenen Donnerstag: Sechs meiner Gesangsschüler und einer meiner Klavierschüler haben vorgesungen bzw. -gespielt. Wir hatte auch einige Bandstücke auf dem Programm, bei denen dann beispielsweise meine Gesnagsschüler von Gitarren- und Bassschülern begleitet wurden. So war das Programm sehr vielseitig und auf einem echt guten Niveau! Das Publikum blieb zum Großteil bis zum Schluss, woran man merkt, dass es allen gefallen hat. Das Wichtigste aber: Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Schüler, dass sie ihre Nervosität überwunden haben und glücklich, mit allen schon so gut vorangekommen zu sein! In solchen Momenten vergesse ich dann auch alle Ärgernisse, die das Unterrichten im Cacique mit sich bringen kann.
Im Großen und Ganzen gehe ich wirklich gerne in die Musikschule und freue mich jetzt schon auf das Weihnachtskonzert!
Wie sich meine Woche sonst so gestaltet:
Wenn wir unter der Woche unterrichten, bleibt zwischen Unterricht und den Mahlzeiten zu Hause kaum Zeit für Anderes. Besonders Montag und Dienstag sind für mich volle Tage, wo ich abends nach Hause komme und gar nicht mehr viel machen kann, weil ich so erschöpft bin. Deshalb bin ich froh, den Mittwoch frei zu haben, an dem wir surfen oder an den Strand gehen, Sonstiges, wie Konzerte, in Ruhe organisieren und neue Kraft tanken können.
Am Wochenende habe ich dann auch mal Zeit, für meine Familie zu kochen, den Vormittag entspannt zum Joggen, Tagebuch- oder Blogeinträgeschreiben und Telefonieren zu nutzen. Nachmittags treffen wir uns dann eigentlich immer, um etwas mit unseren Geschwistern und Freunden zu unternehmen.
An manchen Wochenenden packt uns das Reisefieber und wir fahren mal nach Olón, in eines der Partnerprojekte, oder wie letzte Woche nach Cuenca (Eintrag folgt). Es ist dann echt schön, mal wieder etwas anderes zu sehen und eine andere Luft schnuppern zu können. Was mir an Ecuador so gut gefällt, ist, dass sich die Landschaft und auch die Leute und deren Sitten so schnell ändern: Man braucht nur zwei bis drei Stunden die Küste hochfahren und die Umgebung ist grün und das Klima feucht- kühl. In der sierra isst man ganz andere Gerichte als in der costa und im oriente…
Ihr merkt schon, ich bin ein bisschen in dieses wunderschöne Land verliebt.
Das Spanischsprechen:
Der letzte Aspekt, über den ich gar nicht viel reden möchte, von dem ich aber weiß, dass er euch interessiert….
Ich kann mittlerweile zwar fast alles verstehen (alte Leute zu verstehen ist nach wie vor oft eine Herausforderung…) aber das Sprechen fällt mir immer noch etwas schwer. Anfangs habe ich gezwungenermaßen schnell gelernt, weil ich mich ja sonst nicht hätte verständigen können. Gerade habe ich aber das Gefühl, stehenzubleiben. Ich müsste einfach jeden Tag ein bisschen für mich lernen, besonders die tausend unregelmässigen Verben und verschiedenen Zeiten machen mir zu schaffen… Aufgegeben habe ich aber noch lange nicht. Ich habe mir nämlich vorgenommen bis zum Ende meines Aufenthaltes relativ flüssig sprechen zu können ohne bei jedem Satz über die Konjugation der Verben nachdenken zu müssen. Hoffentlich klappt das!
Und zum Schluss:
Playas gefällt mir am besten früh morgens, wenn das Meer ruhig da liegt und die Stadt erst langsam wach wird. Von Chavela, unserem Surfstrand, kann man auf die ganze Stadt sehen, mit dem Meer vornedran- und jedes Mal bei diesem Anblick durchströmt mich ein Gefühl von Glück und Liebe zu meinem zweiten Zuhause.
Ok, ich werde jetzt ganz schön schnulzig- ich sollte aufhören.
Ich habe noch so viel vor hier und bin deshalb froh, noch etwas Zeit zu haben, in der ich sicherlich noch Einiges erleben, hoffentlich besser Spanisch lernen und vor allem meine Familie, Land und Leute noch mehr kennenlernen werde.
Fühlt euch umarmt!
PS.: Klar, manchmal habe ich auch Heimweh, vor allem wenn ich in schwierigen Situationen bin oder alles auf einmal kommt. Meine Gastfamilie und der tägliche Kontakt mit meinen Mitfreiwilligen helfen mir aber, auch über solche Momente hinwegzukommen.